CREDO – ICH GLAUBE

„Glauben heißt nicht wissen“ oder „Gewissheit kommt von Wissen, nicht von Glauben“.
„Im Lateinischen Wort CREDO schwingt die Bedeutung zweier Wortelemente mit: „COR“ (= Herz) und „DO“ (= ich gebe). Das heißt im Glauben setze ich mein Herz auf das, woran ich glaube“ (David Steindl-Rast).

Wie schwierig der Umgang mit diesem Thema ist, zeigt die Tatsache, dass im GOTTESLOB 2013 nur drei Credo-Gesänge aus dem Vorgängerbuch überlebt haben:
Das lateinische Credo III (GL 122) mit der liedhaften Dur-Melodie aus dem 15. Jahrhundert.
Das apostolische Glaubensbekenntnis (GL 179) in der Vertonung von Karl Norbert Schmid 1972. Es ist das Ergebnis eines Wettbewerbs für das Gotteslob 1975 und erhielt zusammen mit dem Beitrag von Josef Seuffert (GL 479 alt) die höchste Punktzahl bei der Beurteilung durch die Diözesen.
• Das Lied Gott ist dreifaltig einer (GL 354) von Maria Luise Thurmair 1943 mit der Melodie aus dem Straßburger (1539) bzw. Genfer Psalter (1542). Das Lied wird im GOTTESLOB 2013 nicht mehr als Credo-Lied aufgeführt, sondern ist bei Dreifaltigkeitsliedern „versteckt“.

Diese drei Gesänge entsprechen den drei Möglichkeiten, die das deutsche Messbuch für den Vollzug des CREDO vorschlägt:
• Das in den Ostkirchen schon vor 500 bezeugte Nizänisch-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis – so benannt wegen der Zusammenstellung des auf den Konzilen von Nicäa (325) und Konstantinopel (381) verkündeten Glaubensgutes. Auf Wunsch von Kaiser Heinrich II. (1014) übernahm es auch der Westen. Wegen seiner Länge und abstrakten Begrifflichkeit wenig gefragt, empfiehlt es sich eher für Festtage.
• Das Apostolische Glaubensbekenntnis – Apostolicum, das seit der Karolingischen Reform im Westen vorherrscht, eine Erweiterung des altrömischen Taufbekenntnisses. Es erfreut sich größerer Beliebtheit. Allerdings werden ihm auch mehrere Schwächen (z. B. trocken-nüchterner Aufzählungsstil, inhaltliche und sprachliche Dunkelheiten) angelastet. Der Name leitet sich aus der Legende ab, dass jeweils ein Apostel einen der insgesamt 12 Abschnitte formuliert habe (Meinrad Walter).
• Als Abweichung von der Regel toleriert das deutsche Messbuch das Singen eines Credo-Liedes. Da hier der Bekenntnistext um wesentliche Glaubensinhalte verkürzt wird, sollte man im Normalfall jedoch auf ein Lied verzichten. Der Brauch des Credo-Lieds rührt von der deutschen Singmesse aus der Aufklärungszeit her, bei der die Gemeinde deutsche Lieder sang, während die Texte vom Priester auf Lateinisch gesprochen wurden. Die berühmteste Singmesse aus dem 19. Jahrhundert ist die Deutsche Messe von Franz Schubert, die im GOTTESLOB 2013 mit den Nummern 145, 388 und 413 vertreten ist.

Zunächst muss einmal die Frage geklärt werden: Ist das Credo zu singen oder zu sprechen? Die Allgemeine Einführung in das Römische Messbuch von 1975 (AEM) schließt das Singen zwar nicht aus, erwähnt es aber erst an zweiter Stelle:
44. Das Glaubensbekenntnis wird an den Sonntagen und Hochfesten vom Priester gemeinsam mit allen gesprochen. Es kann auch für besondere Anlässe vorgesehen werden.
Will man es singen, soll es in der Regel von allen gemeinsam oder im Wechsel gesungen werden.

An dem letzten Satz sieht man, wie die Ansichten von Liturgikern und Kirchenmusikern auseinander gehen können. Einen so langen Text wie das Credo kann man nicht gemeinsam singen. Das Gotteslob 2013 bietet für das Singen zwei unterschiedliche Ausführungen an. Für die beiden oben erwähnten Gesänge (GL 122 und 179) wird die Alternatim-Praxis, der Wechsel zwischen Kantor und Gemeinde, vorgeschlagen. Bei den neu aufgenommenen Gesängen (GL 177, 178 und 180) wird dem Apostolicum-Text jeweils ein Kehrvers beigegeben, der nach üblicher Praxis von der Gemeinde gesungen wird, während der eigentliche Text vom Kantor vorgetragen wird. Das widerspricht eigentlich der AEM und auch der Vorstellung von einem gemeinsamen Glaubensbekenntnis. Es entspricht vielmehr der Praxis bei der Kindertaufe, bei der anstelle des unmündigen Kindes die Eltern und Taufpaten auf die dreimalige Frage nach dem Glauben mit Ich glaube antworten.

Bei GL 177 besteht der Text des Gemeindeverses aus den lateinischen Anfangsworten Credo in unum Deum. Beim eigentlichen Credo-Text wollten sich die Herausgeber bei der Ausführung der Melodie mit einem vierteiligen Psalmmodell nicht auf eine bestimmte Praxis festlegen. Meinrad Walter meint aber, dass es schlüssiger sei, wenn Kantor/in oder Schola anstelle der Gemeinde den Text vortragen. Es scheint mir aber immerhin ein gelungener Versuch zu sein, den langen Text auf einfache, aber würdige Weise musikalisch aufzubereiten. Störend wirkt nur, dass ausgerechnet beim ersten Vierzeiler die Ligatur des letzten Teils auf eine unbetonte Silbe fällt.

Beim Gesang GL 178, dessen Melodie von der Gesangbuchkommission gemeinsam erarbeitet wurde, fällt als erstes der eklatante Gegensatz zwischen dem burschikosen Kehrvers Amen, Amen, Amen, wir glauben und dem in einem freieren Psalmmodell gehalten solistisch vorgetragenen Credo-Text auf. Auch konnten die Bearbeiter im mittleren Abschnitt der Versuchung nicht widerstehen, den Text durch das Hinabsteigen an die untere Singgrenze musikalisch zu deuten – eine Vorgehensweise, wie sie bei mehrstimmigen Vertonungen üblich ist.

GL 179 ist der auf weite Strecken gelungene Versuch nach dem Vorbild des lateinischen Credo III eine adäquate melodische Fassung für das deutsche Apostolicum zu schaffen. Lediglich für den langen ungegliederten Abschnitt von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten und den Schluss und das ewige Leben. Amen könnte man sich eine andere Lösung vorstellen.

Nachdem bereits bei den Gesängen GL 177 und 178 Akkordbuchstaben hinzugefügt wurden, um sie den Anhängern des Neuen Geistlichen Liedes (NGL) schmackhaft zu machen, betritt in GL 180 mit Alan Wilson (* 1947) ein britischer Musiker und Komponist die Bühne, der nach Wikipedia „mit Werken zum NGL international bekannt geworden ist“. Wenn es seinerzeit in Wien hieß: „Der Kongress tanzt“, so tanzt jetzt das CREDO selbst im seligen Walzertakt des Kehrverses. Der Kantor spult stentorartig auf dem hohen C beginnend und in Terzschritten abwärts ermattend die einzelnen Glaubensartikel herunter. Es ist zum Steinerweichen.

In dieser schwierigen Lage überlasse ich das Schlusswort dem Schweizer Liturgik-Professor Jakob Baumgartner (1926-1996):
„Nimmt man den doxologischen Charakter eines Glaubensbekenntnisses ernst, beachtet man überdies die Eigenart symbolisch-ritueller Vorgänge, bei denen der Mensch nicht bloß verstandesmäßig beteiligt ist, dann wird man die Angebrachtheit des Singens nicht schlechthin in Abrede stellen können. So behalten etwa die lateinischen Choralmelodien weiterhin ihren „affektiven Wert“ für die Feier des Glaubens, wie sie auch durchaus imstande sind, die Einheit der Versammelten auszudrücken. Die flexible Lösung des deutschen Messbuchs trägt nicht zuletzt den verschieden gelagerten Erwartungen des Kirchenvolkes Rechnung. Einseitige und apodiktisch verfochtene Standpunkte bewähren sich in der Pastoral kaum“.