Herr, wir bringen in Brot und Wein

Vor 50 Jahren feierte die Universität Innsbruck ihr 300-Jahr-Jubiläum. Für den Festgottesdienst 1969 schufen Hans Bernhard Meyer, der dortige Professor für Liturgiewissenschaft, und Peter Jannsens, der Komponist zahlreicher  Neuer Geistlicher Lieder, die „Innsbrucker Universitätsmesse“. Die Messe mit dem Titel „Gute Nachricht für alle Völker“ besteht aus den Teilen „Zum Eingang: Herr, dein Wort ist gute Nachricht – Kyrielitanei – Antwortpsalm: Singt dem Herrn alle Völker und Rassen – Allelujavers mit Klangmeditationen – Gabenbereitung: Herr, wir bringen in Brot und Wein – Lied zum Brotbrechen: Lamm Gottes“. Der Refrain des Liedes zur Gabenbereitung wurde 1975 in den Stammteil des Gotteslobs übernommen.

Gotteslob 1975, Nr. 534

Die Autoren Hans Bernhard Meyer (T) und Peter Jannsens (M) versteckte man unter dem Kürzel Q9. Da die zugehörigen Strophen des Liedes nur im Chorbuch zum Gotteslob abgedruckt waren, kamen sie nur selten zum Einsatz. Deshalb nahm man den Refrain als Ersatz für eine Gemeinde-Akklamation, die für den Fall vorgesehen ist, dass zur Gabenbereitung nicht gesungen oder musiziert wird.

Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Wir bringen dieses Brot vor dein Angesicht, damit es uns das Brot des Lebens werde.

A Gepriesen bist du in Ewigkeit, Herr, unser Gott.

P Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns den Wein, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Wir bringen diesen Kelch vor dein Angesicht, damit er uns der Kelch des Heiles werde.

A Gepriesen bist du in Ewigkeit, Herr, unser Gott.

Damit lag man auf zweifache Weise schief, denn dieser Refrain ist keine Akklamation, sondern wiederholt lediglich die Gebete des Priesters, und entgegen der Anweisung zum Sprechen wird jetzt gesungen. Normalerweise werden die Priestergebete zur Gabenbereitung sogar still gebetet. Die Situation änderte sich, als im Gotteslob 2013 auch die Strophen abgedruckt wurden.

Gotteslob 2013, Nr. 184

Doch leider hatte auch hier der „Genderwahn“ zugeschlagen. Im Refrain wurde aus dem „brüderlichen Mahl“ ein „österliches Mahl“. Der Autor dachte hier wohl an eine Liebesmahlfeier (Agape), die jetzt durch den Katechismusbegriff vom österlichen Mahl ersetzt wurde. In der 3. Strophe traf es die „Brüder an seinem Tisch“, die nach Ps 133 miteinander in Eintracht wohnen. Aus ihnen wurden „Freunde“, die sich zufällig versammelt haben.

Die Melodie des Liedes im „Walzer“-Takt erstreckt sich über acht mal vier Takte. Der erste und dritte Teil des Refrains enden mit einer eleganten Synkope, der zweite und vierte Teil mit einer Pause, bei der die singende Gemeinde durch einen Break am vorzeitigen Einsetzen gehindert werden muss. Leider steht im Gotteslob 2013 der Fine-Doppelstrich einen Takt zu früh. Man vergleiche die Stelle im Gotteslob 1975, wo die Pause vor dem Doppelstrich steht. Der Rhythmus der Strophenmelodie wird durch einen besonderen Kunstgriff belebt. Zu Beginn des ersten und dritten Teils werden zwei ¾-Takte zu einem 3/2-Takt, einer Hemiole, zusammengefasst. Auch am Ende der Strophe sollten die Akkorde jeweils in diesem Rhythmus erklingen, um wirkungsvoll zum Beginn des Refrains überzuleiten, falls sich die singende Gemeinde davon überhaupt inspirieren lässt.

Über kleine Unstimmigkeiten bei der Vertonung des Textes kann man großzügig hinwegsehen. Denn er ist Gabe müsste eigentlich Denn er ist Gabe heißen. Die Atempause zwischen Menschen und so sind in der dritten Strophe ist ziemlich knapp, aber die trainierten Sängerinnen und Sänger des Ansinge-Chores werden das schon schaffen. Für die punktierte Halbe sollte Tempo 66 genommen werden, also etwas schneller als für einen Wiener Walzer. Unbetonte Silben und das Ende von langen Noten muss man zurücknehmen, damit ein schwingender bzw. swingender Vortrag entsteht. Ein schwieriges Problem ist der Gemeindegesang im Refrain. Mit einem dezenten Schlagzeug könnte man ihn in das rhythmische Geschehen einbinden. Da aber in den wenigsten Fällen ein Schlagzeug zur Verfügung steht, muss die Orgel mit viel non legato den Gesang rhythmisch unterstützen.

Beim kommenden Dankgottesdienst zu 350 Jahren Universität Innsbruck am 13.10.2019 wird man man nicht mehr auf die nur 50 Jahre alte „Innsbrucker Universitätsmesse“ zurückgreifen, sondern schlägt mit der Messa à 4 „Sacrae laudes complectentes […]“, Venedig 1660 von Pietro Andrea Ziani (1616-1684) einen viel größeren Bogen bis zur Gründungszeit der Universität Innsbruck. Wenn das Neue Geistliche Lied nicht mehr neu ist, dann muss man eben zu Alter Musik greifen.

Anton Stingl jun.

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