Hilf, Herr, Dieter Bohlen

Nein, in der Überschrift ist kein Komma zu viel, denn sie bezieht sich auf das Lied „Hilf, Herr meines Lebens“. Dort wäre ein zweites Komma unangebracht. „Hilf, Herr meines Lebens“ ist eines der wenigen Lieder, die von der ersten Welle der „neuen geistlichen Lieder“, die 1972 von der Evangelischen Akademie Tutzing ausging, bis heute überlebt hat.

„Hilf, Herr meines Lebens“ muss der Songwriter Dieter Bohlen gekannt haben, als er 1985 für Modern Talking seinen Song „Cheri Cheri Lady“ schrieb. Hat er das Lied bereits 1965 auf dem Evangelischen Kirchentag, durch den es allgemein bekannt wurde, kennengelernt? Eher unwahrscheinlich, da Bohlen zu diesem Zeitpunkt erst 11 Jahre alt war. 1975 erschien das Lied im katholischen Gesangbuch Gotteslob (Nr. 622). In den zehn Jahren bis „Cheri Cheri Lady“, als sich das Lied auch im katholischen Bereich verbreitete, könnte es auch Dieter Bohlen zu Ohren gekommen sein.

Wenn Sie jetzt die Aufnahme von „Cheri, Cheri“ Lady mit  Modern Talking hören, dann achten Sie besonders auf den zweiten Teil des Refrains:

Cheri Cheri Lady
Like there’s no tomorrow
Take my heart, don’t lose it
Listen to your heart

Cheri Cheri Lady
To know you is to love you
If you call me baby
I’ll be always yours

Beim Vergleich des Refrains mit der Melodie des Liedes (GL Nr. 440) ab Takt 3, werden Sie sicher feststellen, dass diese Takte vollständig in „Cheri Cheri Lady“ wieder auftauchen. Um auf die üblichen 8 Takte zu kommen, hat Bohlen die Takte 3 und 4 wiederholt. Die beiden letzten Takte führte er beim ersten Mal noch nicht zum Grundton d, sondern zur Quinte a.

Gotteslob Nr. 440

Während die Melodie dieser Takte relativ unverändert übernommen wurde, gerät der Text in eine völlig andere Sphäre. Bereits 1970 hat Markus Jenny den etwas negativen Formulierungen von Gustav Lohmann eine etwas positivere Fassung entgegengesetzt:

2. dass ich etwas wage                       
3. dass ich nicht gebunden
4. wollst mich dahin leiten

Bei Dieter Bohlen hört sich das dann so an:

Cheri Cheri Lady!
Als ob es kein Morgen gäbe,
Nimm mein Herz, verlier es nicht,
Hör auf dein Herz,

Cheri Cheri Lady!
Dich zu kennen heißt dich zu lieben.
Wenn du mich Baby nennst,
Ich werde immer dein sein.

Die Melodie, die der Musikwissenschaftler Hans Puls verfasst hat, fußt eigentlich auf der dorischen Kirchentonart. Aber im Gotteslob wie auch im Evangelischen Gesangbuch (Nr. 419) ist ein b vorgezeichnet, obwohl die sechste Stufe in der Melodie überhaupt nicht vorkommt.

Was sagt nun das Urheberrecht zur Übernahme  aus einem anderen Werk? Nach dem diese Frage im  § 24, Abs. 1 noch großzügig behandelt wird, schränkt der Absatz 2 dies ein: „Absatz 1 gilt nicht für die Benutzung eines Werkes der Musik, durch welche eine Melodie erkennbar dem Werk entnommen und einem neuen Werk zugrunde gelegt wird.“

Die Klärung dieser Frage  überlasse ich berufeneren Leuten und verabschiede mich mit einer weiteren Strophe zum Lied:

Hilf, Herr, Dieter Bohlen,
denn er hat gestohlen,
denn er hat gestohlen
aus dem Kirchenlied.

Anton Stingl jun.

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